Prof. Dr. Susanne Schunter-Kleemann

Autorin

Kunstmalerin

Rede von Peter Schunter

Berlin, anlässlich der ersten Ausstellung von Susanne Schunter-Kleemann am 2. Mai 2009 zum Thema „Gesichter und Konterfeis“ in der Rechtsanwaltskanzlei SielingWinter

Peter Schunter
Peter Schunter

Liebe Anwesende,

Susanne und ich kennen uns schon etwas länger. Geküsst haben wir uns erstmals 1968 im Garten der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Wir waren damals beide noch Studenten und während Susanne für ihr Diplom in Soziologie lernte, bereitete ich mich auf meinen Meisterschüler vor. Trotz eifriger Demonstrationstätigkeit bestanden wir beide unsere Prüfungen und bewarben uns einige Zeit später für eine gemeinsame Wohnung in der Roscherstrasse 3 in Charlottenburg, in der ich heute noch wohne. Nach meinem Studium arbeitete ich zunächst als Briefträger bei der Post. Susanne bewarb sich erfolgreich für eine Stelle als Assistentin am Psychologischen Institut der Freien Universität (FU). Eines Tages hatte Susanne einen Einfall und machte mir einen Vorschlag. Sie sagte: „Du könntest eigentlich bei der Post aufhören. Wir haben doch genug Geld“. Dieses „WIR“ machte es mir leicht, ihren Vorschlag sofort dankend anzunehmen und ich danke ihr dafür noch heute. Das Interesse von Susanne an der Bildenden Kunst kam aber nicht erst durch mich. Als Kind war sie in den Ferien oft bei dem Maler und Keramiker Günther Stüdemann und seiner Frau Lu zu Besuch. Sie war immer sehr gerne dort, denn sie fand diese kreative Atmosphäre sehr anregend. Die Idee selbst zu malen kam ihr erst viel später.Unsere Wege hatten sich längst getrennt, aber ein Gefühl der Verbundenheit und das Interesse an der Bildenden Kunst blieb. Eines Tages überraschte sie mich mit der Bemerkung: „Du Hund, Du hast mir überhaupt nicht gesagt, wie viel Spaß es macht“ Susanne meinte damit das Handwerk des Malens. Mich erinnerte diese Bemerkung an eine Äußerung des Schriftstellers Caesare Pavese, dessen Tagebücher ich in den frühen Sechzigern gelesen hatte. Es ging dabei um die Antriebskraft des Künstlers. Der herrschenden Meinung, dass es dabei vor allem um das Streben nach Ruhm, Reichtum und schönen Geliebten ginge, widersprach Pavese. Der viel ursprünglichere Antrieb, noch vor allen sozialen Leidenschaften, käme aus der Freude an der Technik. Die Technik von Susanne entwickelte sich aus dem Malen nach Fotos. Meine wohlmeinenden Vorschläge es mal mit lebenden Modellen oder dem Kopieren alter Meister zu versuchen, hörte sie sich geduldig an, blieb aber resistent. Man könnte auch sagen – eigenständig. Das Nachdenken über Fotografie als Kunst begann bei mir 1960 während meiner Grundausbildung zum Gebirgsjäger in Reichenhall. Ein junger Fotograf in meiner Einheit erklärte mir trotzig, dass Fotografie nicht nur auch Kunst sei, sondern im Grunde der Malerei überlegen, weil sie viel schneller sei. Und abstrakt fotografieren könnte man im Übrigen auch. Ich hatte kein Problem damit, ihm zuzugestehen, dass die Fotografie auch eine Form der Kunst sei: Gab ihm aber zu bedenken, dass sie wohl etwas grundsätzlich anderes sein müsste. Gustave Flaubert zum Beispiel hat damals als die Fotografie gerade erst erfunden worden war, prophezeit, dass die Malerei in kürzester Zeit verschwinden und durch die Fotografie ersetzt werden würde. Es passiert aber das Gegenteil und in dem folgenden Jahrhundert wurde mehr gemalt als in den 2000 Jahren davor. Warum die Malerei immer wieder totgesagt und immer wieder in veränderter Form neu auferstand, blieb mir allerdings ein Rätsel. Auch meine Versuche, genau zu definieren, worin der grundsätzliche Unterschied bestand, blieben unbefriedigend. Ich kam einfach immer wieder vom Hütchen aufs Stöckchen. Von jungen Malern in Holland hörte ich mal eine Erklärung, deren Reiz in ihrer Schlichtheit lag. Sie sagten: „It is not a picture, it is a painting“. Ich habe diese Erklärung auch als Hinweis auf die von Caesare Pavesen beschworene ganz ursprüngliche Freude an der Technik gedeutet und die ist beim Malen nun wirklich eine grundsätzlich andere als beim Fotografieren und es ist auch wirklich völlig egal, ob ich nach der Natur, nach Fotos oder aus der Vorstellung male. Eine mir eigene Wunschvorstellung über das Wesen der Kunst im allgemeinen und die Malerei im besonderen geht in etwa so: Als wir noch Einzeller waren, war unser Leben einfach. Wir brauchten nicht zu sterben. Um weiterzuleben mussten wir uns nur teilen. Ich vermute, etwas ähnliches meinte auch jener Dichter, als er schrieb: „ Oh, dass wir unsere Urahnen wären, ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor. Schon ein Lybellenflügel wäre zu schwer und litte schon zu sehr“. Aber im Laufe der Evolution entwickelten wir uns zu immer komplexeren Lebewesen. Schließlich bildete sich bei der Spezies, die wir die unsere nennen, etwas heraus, das wir unser „ICH“ nennen. Im Kampf ums Überleben durch Anpassung war dieses Ich ein großer Vorteil, hatte aber auch eine unangenehme Nebenwirkung. Das Gefühl von Verbundenheit mit dem Rest des Universums erlosch. Wir fühlten uns einsam, winzig und verloren. Die Technik des Malens ist nun nicht nur hervorragend, sondern sicher auch in ganz anderer Weise als das Fotografieren dazu geeignet, dieses Gefühl von Verbundenheit wieder herzustellen. Für Susanne geht es vor allem um das Gefühl von Verbundenheit mit Menschen, die sie liebt oder die ihr etwas bedeuten. Das ist kein schlechter Ansatz. Vor allem wenn man bedenkt, dass letztlich jeder Mensch immer auch ein ganzer Kosmos ist. In diesem Sinne liebe Susanne meinen herzlichsten Glückwunsch zu Deiner ersten Ausstellung.